Freitag, 24. August 2007

Erste Meldung nach 2 Wochen

Hallo zusammen,

nach zwei Wochen wächst bei mir doch das Bedürfnis mal ein Lebenszeichen in die Welt zu senden. Bisher hab ich mich zwar geweigert, wie viele das machen, so einen Blog zu schreiben... aber mittlerweile bin ich doch überzeugt worden. Ich werde hier bestimmt nicht jeden Tag was reinschreiben, und wahrscheinlich auch nicht jede Woche... aber ab und an, dann und wann.

Ich bitte zu entschuldigen, dass das ganze jetzt wahrscheinlich etwas unstrukturiert wird, aber da ich in den zwei Wochen, in denen ich jetzt hier bin doch schon einiges erlebt habe, weiß ich schon nicht wo ich anfangen soll.

Also, für die, mit denen ich in letzter Zeit nicht so viel kommuniziert habe: Ich bin gut angekommen!

Ich hab trotz meinem langen Wartelistenaufenthalt glücklicherweise doch noch reibungslos ein Zimmer im Wohnheim bekommen und konnte mich mittlerweile ganz gut einleben. In meiner 4er-WG wohnen außer mir noch ein Russe, ein Äthiopier und ein Spanier, mit denen ich mich der Aufzählung nach gut verstehe. Besonders mit Emil (der Russe) hab ich viel Spaß, der Äthiopier ist auch super nett, hat aber schon Familie und Kinder, ist also nicht zum Spaß hier (eher im Gegenteil). Der Spanier (eigentlich Baske) ist auch ok, aber er ist selten da, und wenn dann redet er davon, dass er weg will, weil er mit seinem Freund zusammenziehen will.
Die Wohnung ist super schön, vom Bad und meinem Ausblick auf die Mülltonnen (die wiederum sehr stylisch sind) mal abgesehen. In dem Wohnheim hier (eigentlich mehr ein Wohnpark) wohnen 1800 Studenten, von denen 2/3 bis 3/4 International Students sein dürften. Ganz anders als in Deutschland ist, dass hier auch total viele Familien wohnen. Zwischen den einzelnen Häusern sind ganz viele Spielplätze und es gibt sogar einen eigenen Kindergarten.
Das wichtigste direkt vorweg: Jedes Haus hat ein Basement, also einen Party-Keller, der jeweils einer bestimmt studentlschen Gruppierung gehört. Es gibt ein Basement für Maschis, eins für Chemiker, eins für den Dragvoll Campus, eins für den Wanderverein und wahrscheinlich auch eins für die Putzfrauen. Am meisten geht aber eindeutig im Basement der ISU (International Student Union). Jeden Montag und Freitag ist da volles Haus (leider nur bis Mitternacht).... Die Basements sind vor allem darum so beliebt, weil da im Gegensatz zu denen in der Stadt die Bierpreise wirklich erträglich sind. Zahlt man in der Stadt zwischen 6 und 10 € für ein normal großes Bier, sind die 2 € im Basement quasi in Schnäppchen.

Nun ja, damit hat das ganze hier zwar nicht angefangen, aber wo ich schon einmal dabei bin. Die Stadt hier ist zwar nicht groß (160.000 Einwohner) aber weil im Umkreis von 500 km nichts vergleichbares ist, ist das städtische Angebot gar nicht so schlecht. Ein von einer Studentengruppe geführter Laden (das Studentersamfundet) ist mit Abstand am größten. Das Teil ist ein Labyrinth aus Bars, Fluren und 4 Dancefloors. Bier kostet hier 6 € (für 0,5) und ist damit sehr günstig. Anderes würde ich allerdings nicht probieren.
Sowieso haben wir uns die norwegische Taktik hier schnell angeeignet... Wenn man am Abend durch die Stadt geht, begegnet man einer Masse junger Leute mit Plastiktüten in der Hand. Das sind norwegische Studenten auf dem Weg zum Vorspiel. Der Party vor der Party. Wenn es dann mal so richtig läuft, kann das ganze auch noch ein Nachspiel haben.

In meinem Ersti-Tutorium habe ich auch schon ausgiebig Gelegenheit gehabt, die Norwegische Feiermentalität zu analysieren. Und ich muss sagen: gewöhnungsbedürftig!
Also erstmal stimmen alle Vorurteile: Norweger sind wirklich unglaublich schüchtern. In dem Tutorium, in dem ich zunächst der einzige Nicht-Norweger war, war ich der einzige, der mal versucht hat, so etwas wie eine Konversation aufzubauen. Die anderen haben ihre Nebenleute, mit denen sie immerhin in Zukunft studieren sollten, keines Blickes gewürdigt.
Das ganze änderte sich dann aber doch schlagartig, als man sich abends zum Vorspiel traf und die ersten 2-3 Tuborg vertilgt waren. Auf einmal schienen sie alle ihre Schüchternheit an der Garderobe abgegeben zu haben und wurden gesprächig. Das Problem ist, dass Norweger, wenn sie einmal trinken, ungerne damit aufhören. So konnte ich in meiner Analyse des feiernden Norwegers bisher eigentlich nur zwei Zustände ausfindig machen: 1. Den introvertierten vor dem ersten Bier und 2. Den "Wir saufen bis zum Morgengrauen".

Naja, zurück zur Seriosität, zum Studium!
Obwohl bei mir das meiste erst nächste Woche losgeht, war ich diese Woche doch schon fast jeden Tag in der Uni. Mal alle Lokalitäten auskundschaften, die zuständige Studienberaterin aufsuchen, mich über Kurse informieren u.s.w. Und ich muss sagen: Hatte mich das Chaos um die Anmeldung und die Wohnungssuche noch negativ überrascht, bekomme ich jetzt langsam einen Eindruck davon, was gute Studienbedingungen sind. Erstmal ist der Campus, an dem ich meine Fächer hab, ein toller Bau aus den 90er. Er erinnert von der Architektur eigentlich eher an eine Shopping-Mall als an eine Universität. Ein Audimax oder Karman 1 gibt es hier nicht. Stattdessen finden alle Vorlesungen und Kurse in kleineren Hörsälen oder Räumen statt, in den stets beidseitige Kommunikation möglich ist. In meiner ersten Vorlesung, die ich dann doch schon gestern hatte ("Knowledgement Management in a global economy"), waren wir maximal 25. Dazu kommt eine ganze andere Arbeitsatmosphäre als das bei uns der Fall ist. Ob Professoren oder Erstsemester... man redet sich hier grundsätzlich Vornamen an. So entsteht wirklich das Gefühl, dass man irgendwie zusammen und nicht gegeneinander arbeitet. Das hat mir auf Anhieb direkt richtig gut gefallen.

Was mir hingegen nicht so gut gefallen hat, ist die ellenlange Liste mit Pflichtlektüre, die wir direkt bekommen haben. Alles in allem dürfte grob überschlagen von rund 1000 Seiten englischer Fachliteratur für nur eine Vorlesung die Rede sein. Einige Artikel haben wir dann direkt in Reader-Form ausgehändigt bekommen. Einige konnte man sich aus dem Internet ausdrucken (Drucken ist in der Uni unbeschränkt kostenlos). Übrig blieben drei Bücher die man sich kaufen soll (ca. 40€/Buch). Eines der drei hab ich dann direkt im Online-Archiv der Bib gefunden und konnte da auch die relevanten Kapitel größtenteils ausdrucken.... jetzt schau ich erstmal, ob ich die anderen beiden wirklich brauche... man kanns ja auch übertreiben. Bis Ende Oktober muss ich übrigens eine Hausarbeit mit mind. 5000 Wörtern geschrieben haben, bevor es dann zum Abschluss noch eine mündliche Prüfung gibt.

Als zweites werde ich jetzt wahrscheinlich den monster-intensiven GIS (für die nicht Geographen: Geographic Information Systems) besuchen, für den es zwar etwas weniger zu lesen gibt (vielleicht nur 500 Seiten), für den man dafür aber wesentlich mehr selbst machen muss. Es gibt eine Vorlesung und zwei Übungen pro Woche. Man muss jede Woche eine Projektaufgabe abgeben und einen Online-Multiple-Choice-Test absolvieren, der dann auch zusammen mit der 5-stündigen Klausur am Schluss in die Bewertung mit eingeht.

Dazu muss man aber sagen, gegen das Online-System, das hier zu jeder Veranstaltung zur Verfügung steht, echt genial ist. Man wird entsprechend der Kurse in Online-Lerngruppen eingeteilt, in denen man sieht, wer online ist und wer gerade welche Aufgaben macht. So kann man sich per integriertem Instant Massenger austauschen, alle erforderlichen Daten austauschen... und und und. Was man dabei allerdings wissen sollte ist, dass der Professor jedes Kurses Zugriff auf alle Protokolle deiner Aktivität für den relevanten Kurs hat. Er kann also genau sehen, wann man online in dem System war, was man gemacht hat und welche Online-Texte man gelesen hat.

So, genug zum Ernst des Hochschulalltags, natürlich hab ich in den letzten zwei Wochen auch schon lustigere Sachen erlebt. Letzte Woche war die Orientation Week und es gab jede Menge Programm für die International Students. Wie ihr den Fotos entnehmen könnte eine Wanderung, eine Bootsfahrt und zwei Museumsbesuche. Dazu ein angemessenes Abendprogramm und das legendäre Complimentary Lunch, das ich diese Woche durchaus schon vermisst habe. In den zwei Clubs die wir in der Innenstadt bisher kennen gelernt haben, ist mir das gleich aufgefallen, was ich auf der Hinfahrt schon im Radio erkannt habe. In Norwegen leben die 80s and 90s!!!
Was in den ersten Tagen natürlich genial war, war, dass man sekündlich neue Leute kennen gelernt hat. Zum Namen- und Herkunftslandmerken blieb da kaum Zeit und so begegne ich mittlerweile andauernd Leuten die ich schon irgendwoher kenne, aber keine Ahnung mehr hab woher (mein altes Problem). Leider hat sich herausgestellt, das Deutschland hier mit Abstand die größte Ausländergruppe stellt. So muss ich mir echt Mühe geben, nicht die ganze Zeit nur mit Deutschen rumzuhängen, was natürlich am einfachsten ist. Aber das wäre natürlich nicht der Sinn der Sache... Ich bin mittlerweile schon echt froh, dass in meiner WG nicht auch noch Deutsche wohnen....

Sprung: In den letzten 4 Tagen hatten wir absolut geiles Wetter (heute regnets leider wieder) und ich konnte mal auf zwei Rädern die Gegen ein wenig erkunden. Nur 4 Kilometer entfernt von hier sind zwei wunderhübsche kleine Seen (siehe Fotos). Gestern bin ich dann von denen aus noch weiter gefahren, weil ich zu einem großen See wollte, den ich auf der Karte gesehen hatte, und hab mich ziemlich verfranzt. Ich wusste zwar, in welche Richtung ich wollte, aber es gab einfach andauernd Abzweigungen ohne Schilder. Schließlich hab ich mich dann eindeutig für den falschen Weg entschieden. Es wurde immer felsiger und matschiger und irgendwann war einfach kein vorwärts kommen mehr. Da bin ich dann schweren Herzens umgekehrt, hab über einen Umweg dann aber doch noch zu dem großen See gefunden. Scheint ein großer Stausee zu sein, aber ich hatte dann keine Zeit mehr für eine ausgiebige Erkundung und musste zurück. Über die Straße hab ich dann auch nur 15 Minuten zurück gebraucht.
Für die Zukunft (sofern das Wetter noch eine Weile schön bleibt) waren die zwei Touren auf jeden Fall schon einmal sehr viel versprechend. Teilweise waren übrigens die kleinsten Waldpfäde mit Flutlicht ausgestattet, was mich vermuten lässt, dass sie im Winter Langlaufloipen sein werden. Ich bin mal gespannt....

So, da ich jetzt quasi schon meine erste Hausarbeit halb fertig habe... und gleich das ISU-Basement aufmacht... verabschiede ich mich mal.

Fotos gibts jetzt hier ja auch... Da die Handhabung einfacher und schneller als im StudiVZ ist, werde ich sie demnächst wohl auch erstmal hier hochladen. Achja, wenn es wieder welche gibt, meine geliebte Digi-Cam hat nämlich den Geist aufgegeben :-(
Naja, ohne gehts jedenfalls nicht, d.h. ich werde mir wohl ne neue zulegen....

So bis denne mal....
Euer Milo

Fotos gibts jetzt hier!!!!

2 Kommentare:

Petzi hat gesagt…

Hi!

Na dann scheinst du dich ja wohl zu fühlen bei den Normannen. Kann ich nachvollziehen, diese Kultur reizt mich ebenfalls! Hab allerdings eine Anmerkung und eine Frage zu deinen Ausführungen...

1. Norwegen ist weniger für seine Retro-Musik, sondern für Black-/Death-/Speed-/Thrash-/Power-/Progressive-/Doom-/Heavy Metal bekannt! Ich empfehle dir also dich da möglichst bald mal mit der (bekanntermaßen umfangreichen) Szene vertraut zu machen, denn wenn ich dich besuchen komme hab ich keinen Bock auf Ace of Spades, Culture Club, ABBA und Prince...

2. Wir kennen ja alle Schweden und dessen berühmt-berüchtigte weibliche Staatsbürgerinnen - bleibt einem da in Norwegen beim schieren Anblick ebenso die Spucke weg und Kinnlade offen wie im paradiesischen Nachbarland? Ich könnte mir zwar vorstellen dass die Quantität in Trondheim etwas mehr zu wünschen übrig lässt, aber da der skandinavische Genpool ja doch recht unverfälscht ist (zumindest so lange bis ich dich besuchen komme, s.o.) vermute ich doch da ebenso wie in Stockholm und Göteborg eine >1A++ Qualität. Liege ich da etwa falsch?

Mit Pommesgabelgruß und besten Wünschen
Petzi

Mick hat gesagt…

> 1. Den introvertierten vor dem ersten Bier und 2. Den "Wir saufen bis zum Morgengrauen".

Sehr gut! Habe bisher auch nichts anderes kennengelernt...
Habe dich übrigens auf meinem Blog verlinkt: www.nordpolarbaer.de

Gruß,
Michael