Donnerstag, 30. August 2007

Erlebnisreich trotz Wintereinbruch

Erste wenige Tag sind seit meinem letzten Bericht vergangen, doch schon wieder gibt es einiges zu erzählen...

Montag und Dienstag waren nicht besonders spektakulär. Ich musste noch ein paar administrative Dinge erleidigen. So hab ich mir mein erstes Buch gekauft, bin jetzt Mitglied im Sportverein der NTNU und hab mich für meine beiden Prüfungen im Dezember angemeldet. Ein Highlight war noch mein erster Frisörbesuch, den ich aufgrund böser Vorahnungen schon soweit wie möglich herausgezögert hatte. Nach intensivem Preisvergleich hab ich dann auch einen extrem günstigen Salon gefunden, bei dem ich für 10 Minuten SchippSchnapp nur 29,50 € auf den Tische legen musste. Ich hab kurz überlegt, ob ich mir eine Glatze schneiden lassen sollte um erst in einem halben Jahr wieder hin zu müssen, hab mir dann aber ausgerechnet, dass der dann notwendige Polar-Mützen-Kauf die Ersparnis wieder egalisieren würde...
Montag Abend war dann wieder Basement-Time. Diesmal hab ich auch mal die norwegische (Eishockey-) Version des Kickers ausprobiert... sehr witzig.

Dienstag Abend hab ich mich mit ein paar Anderen getroffen, um mal Planungen für eine erste kleine Hüttentour anzustellen. Der Sportverein hier verfügt nämlich über eine geraume Anzahl von kleinen Hütten, die irgendwo in der Landschaft verstreut liegen und gegen geringes Entgelt übers Wochenende gemietet werden können (http://org.ntnu.no/koiene). Wir haben uns dann für den Anfang zwei leicht zu erreichende Hütten ausgesucht und den Trip für Samstag-Sonntag veranschlagt. Dummerweise muss man, um die Hütten reservieren zu können, morgens um 8 bzw. halb 9 Uhr im Bookshop entweder des Gloshaugen- oder des Dragvoll-Campus sein. Da ich der einzige von unserer Gruppe bin, der in Dragvoll studiert, wurde mir auch gleich die besondere Ehre zuteil, im Falle des nicht reservierbaren Erstwunsches, um 8 Uhr nach Dragvoll zu fahren und da unseren Zweitwunsch zu reservieren. So kam es dann auch. Der Sören, der sich für Gloshaugen bereit erklärt hatte, rief Punkt 8 an, dass unserer Erstwunsch im Sommer leider abgebrannt sei, und ich mich doch schleunigst auf nach Dragvoll machen sollte...
Als ich dann in den Keller kam, um mein Fahrrad klar zu machen: böse Überraschung, ein verdammt platter Vorderreifen. Naja, keine Zeit zu verschwenden, also bin ich losgejoggt (natürlich im Regen). Trotz der Verzögerung war ich dann auch noch pünktlich da, allerdings wartetet schon drei andere vor mir auf die Verteilung der Hütten. Es kam wie es kommen musste, die letzte, die vor mir dran war, wollte natürlich auch ausgerechnet die Flakoie, unseren Erstwunsch reservieren. Naja, nach Rücksprache mit Sören hab ich dann eine andere, die Agdeneskoie reserviert und mir auch gleich den Schlüssel geben lassen. Die ist zwar leider ziemlich weit weg und nicht so leicht zu erreichen... aber wir werden es wohl trotzdem mal versuchen. Sie sieht auf jeden Fall sehr schön aus, nicht wahr? http://org.ntnu.no/koiene/koienettet/agdenes/tekst_eng.htm

Als ich dann zurück war, hab ich mich erst einmal dran gemacht, mein Fahrrad zu reparieren. Einen Ersatzschlauch hatte ich zum Glück noch da, und was für mich ungewöhnlich ist, es hat auch direkt alles ohne Komplikationen geklappt, yeah!
Danach hab ich mal unsere gemeinschaftlich erworbene Kaffeemaschine getestet und war trotz Billig-Kaffee und Billig-Filtern von der Qualität doch sehr angetan. Im Kaffeeland-Norwegen gibt es wahrscheinlich gar keinen schlechten Kaffee zu kaufen.

Mittags hatte ich dann zum ersten Mal meinen GIS Kurs. Für nicht Geographen nochmal: Das heißt Geographic Information Systems und ist für die Zukunft unseres Faches von hoher Bedeutung. Der erste Eindruck hat noch einmal bestätigt, das hier sehr viel Arbeit auf mich wartet, aber der Prof scheint sehr cool zu sein und das Ganze auch ganz interessant zu vermitteln. Da der Raum mit 40 Plätzen leicht überbelastet war, hat er uns direkt mal nahe gelegt, bloß nicht zu jeder Vorlesungen zu kommen, weil er sonst wegen Brandschutzrichtlinien einen größeren Raum reservieren müssten und die Vorlesung dann schon um 8.15 Uhr stattfinden müsste....

Direkt im Anschluss an die Vorlesung bin ich dann rüber ins Sportzentrum geeilt, weil dort das erste Training für Unihockey, bzw. wie man es hier nennt Innebandy, stattfinden sollte. Da ich ein bisschen zu spät war, waren alle anderen auch schon fleißig beim Spielen (ja, hier fängt immer alles auf die Minute genau an). Ich bin dann aber ganz freundlich aufgenommen worden und konnte direkt mit einsteigen. Die Bedenken, aufgrund der etwas unprofessionellen Spielweise in Aachen, nicht mithalten zu können haben sich dann auch schnell zerschlagen. Es wird zwar tatsächlich professioneller gespielt. Also auf großem Feld, mit richtigen Banden, festen Torhütern und festen Spielpositionen, aber ich konnte eigentlich direkt ganz munter mitspielen. Ich bin direkt mal zum Flügelspieler ernannt worden, was mir glaube ich auch ganz gut liegt. Technisch sind die mir hier alle überlegen, schließlich fangen die damit auch meist schon in der Grundschule an, aber dafür waren viele nach ein paar 5-Minuten-Spielchen k.o. und nicht mehr sehr lauffreudig. So konnte ich meine Stärke (Schnelligkeit und Ausdauer) ganz gut ausspielen. Nach ein paar vergebenen Chancen hab ich dann sogar ein Tor geschossen, obwohl das doch mal klar auf die Kappe des Keepers ging. Naja, war auf jeden Fall ein gelungener Einstieg und ich freu mich, trotz meinem schon als heftig zu bezeichnenden Muskelkaters, aufs nächste Training am Freitag. Positiv fand ich auch, dass da wirklich mal nur Norweger sind, die ja ansonsten doch schwer kennen zu lernen sind.

Gestern Abend war dann auch noch das letzte Champions-League-Qualifikationsspiel gegen Tampere aus Finnland. Die Karten kosteten nur 11 € (es gibt nur überdachte Sitzplätze) und so bin ich mit ein paar Anderen hin, um mal den norwegischen Rekordmeister Rosenborg spielen zu sehen. Kurz vor dem Anpfiff viel dann für fast eine Stunde in der halben Stadt der Strom aus und es konnte erst mit einer Stunde Verspätung angefangen werden. Das Spiel war dann nicht besonders aufregend und von der Qualität so auf Niveau Kaller SC gegen SG Urftal. Trondheim war nach einem 3:0 im Hinspiel schon so gut wie durch und hat nicht mehr viel mehr getan als nötig. Tampere war einfach unfähig und so wohne ich jetzt tatsächlich nur 10-15 Gehminuten von einem Stadion weg, indem demnächst Champions League gespielt wird. Die Stimmung war trotz schwachem Spiel eigentlich ganz gut und am Ende gabs zur Feier des Tages sogar noch ein kleines Feuerwerk. Interessant war auch zu beobachten, wie die Norweger Fußball zelebrieren. Gehört bei uns ja irgendwie das Bier untrennbar dazu, hat das Stadion in Trondheim gar keine Ausschanklizenz und die Fans kippen stattdessen literweise Kaffee in sich hinein. Echt komisch.

Dabei hätten wir uns nichts sehnlicher als eine Tasse mit heißem Glühwein gewünscht, es war nämlich verdammt kalt. Ich war zwar schon mit Winterschuhen, Winterjacke und Handschuhen ganz gut ausgestattet, aber trotzdem hab ich noch Mütze, Schal und lange Unterhose vermisst. Echt unglaublich, geschätzte 5 Grad Ende August. Etwas beruhigt hat mich allerdings, dass auch die Norweger zu frieren schienen, so bleibt die Hoffnung, dass der Wintereinbruch hier im Moment vielleicht doch nicht ganz normal ist und es nochmal wärmer wird.
Der Wetterbericht verheißt jedoch leider nichts Gutes (http://www.wetter.com/v2/?SID=&LANG=DE&LOC=7000&LOCFROM=7000&type=WMO&name=Trondheim&id=10) und so beginne ich schon langsam eine eigene Theorie für das momentane Wettergeschehen aufzustellen.
Unter Anwendung meines gesamten geographischen Fachwissens komme ich so langsam zu dem Schluss, dass Vorzeigewissenschaftler Roland Emmerich vielleicht doch Recht hatte: Der Golfstrom ist versiegt, eine neue Eiszeit bricht herein, der Day after Tomorrow ist angebrochen, WIR WERDE ALLE STERBEN!

Naja, vielleicht ist es ja doch nicht ganz so schlimm. Heute ist es zwar immer noch verdammt kalt (die Handschuhe sind beim Fahrradfahren schon Standard) aber dafür kommt zwischen den Regenschauern auch hin und wieder die Sonne raus. Man muss das alles positiv sehen, wenn ich zurück nach Deutschland komme, werde ich Aachen wahrscheinlich als mediterrane Sonnenscheinstadt empfinden.

Heute war ich dann wieder in der Uni, hab die Schlüssel für die Hütte fürs Wochenende getauscht (sie haben mir nämlich aus Versehen doch die für unseren Zweitwunsch gegeben), und werde jetzt wohl erstmal was zu essen machen und mich dann nochmal TravelTainment widmen, bevor es heute Abend zum gemeinschaftlichen Essen, Planen des Wochenendetrips und anschließend zu einer Erasmus-Party im Tiger Tiger geht. Da mich da wahrscheinlich wieder unausstehliche Retro-Party-Mucke erwarten wird, muss ich dran denken, genug Bier fürs Vorspiel einzupacken.

Nach unserem ersten Cabin-Trip am Wochenende werde ich dann das nächste Mal ausführlichen Bericht erstatten. Vielleicht gibts auch nochmal ein paar Fotos, gestern hats meine Kamera immerhin wieder für ein paar Bilder getan...

Montag, 27. August 2007

Norwegen zeigt erste Tücken

Tja, jetzt hatte ich groß getönt, ich würde nicht andauernd etwas posten, und jetzt melde ich mich schon wieder...
Aber irgendwie hat es das Pizza-All-you-can-eat-Buffett, dass ich heute abend im Fernsehturm von Trondheim zu mir genommen hab, wohl geschafft, dass ich heute irgendwie nicht müde werde. Und da ich gerade weder Lust auf den nächsten 50-seitigen Aufsatz über die geographischen Bedingungen von innovativen Wirtschaftsclustern, noch auf Philadelphia (die nächste Stadt in meinem TravelTainment-Auftrag) hab, kann ich ja hier nochmal meinem Mitteilungsbedürfnis nachkommen.

Wie die Überschrift schon vermuten ließ, hat sich Norwegen dieses Wochenende von einer Seite gezeigt, die mir nicht so ganz behagte, aber an die ich mich wohl gewöhnen werden muss. Nachdem ich Mitte der Woche noch mit kurzen Klamotten auf dem Fahrrad unterwegs war, musste ich heute schweren Herzens zum ersten Mal meine kleinen Elektroofen einschalten und die Winterjacke aus dem Schrank holen. Das mit dem Ofen hat mir als altem Energiesparer zwar in der Seele weh getan, aber ich tröste mich damit, dass der Strom hier ja zu über 90% aus Wasserkraft gewonnen wird. Außerdem kann ich ja nichts dafür, dass es durch mein Fenster zieht, als wäre das Glas in Gitterform gegossen worden. Am Freitag sah es eigentlich noch ganz gut aus und ein paar Andere hatten mich gefragt, ob ich am nächsten Morgen mit auf eine kleine Klettertour kommen wollte. Ich hatte mich schon super gefreut, auch wenn mir noch die eigentlich notwendigen Wanderschuhe fehlten, doch als ich dann Samstag morgen in aller Frühe aufstand, wurde mir relativ schnell klar, dass das nichts werden würde. Draußen peitschte ein richtig fieser Sturm... Das positive an der Sache war, dass ich damit die Gelegenheit hatte mal in die Stadt zu fahren um mich nach Wanderschuhen umzusehen, doch zunächst einmal musste ich das eindrucksvolle Naturschauspiel verfolgen, dass sich vor meinem Fenster abspielte. Fast zum Lachen gebracht haben mich meine im StudiVZ bereits berühmt gewordenen Mülltonnen. Je nach Windrichtung klappten die Decker der Tonnen immer wieder der Reihe nach auf und später simultan wieder zu. Ich glaub das war das erste mal, dass ich die Kamera ausgepackt hab, um Mülltonnen zu filmen. Naja, jedenfalls hab ich mich dann doch tatsächlich überwinden können, die gute Stube zu verlassen und mit dem Fahrrad in die Stadt zu fahren. Nach einigem Umschauen und Preisvergleichen hab ich mich dann auch entschließen können ein paar Wanderschuhe zu erwerben. Da in dem Bereich gerade Schlussverkauf ist, bin ich mit 150 € sogar halbwegs günstig davongekommen.
Wetterbedingt habe ich auch kurzzeitig mit dem Gedanken gespielt, mir mal eine vernünftige Regenjacke zuzulegen, doch den habe ich bei genauerer Betrachtung schnell wieder verworfen. So Plastiktüten wie wir die aus Deutschland gewöhnt sind, gibt es hier nämlich nicht. Stattdessen nur High-End-Modelle deren Preise sich so in der Spanne zwischen 250 und 600 € abspielen. Krass oder?
Heute war es dann zwar nicht mehr so stürmig aber auch nicht wirklich viel gemütlicher. Das schlimmste ist der Wetterbericht für die kommende Woche: Regen und Temperaturen zwischen 6 und 8 Grad :-( Ein guter Zeitpunkt um die Uni von Innen kennen zu lernen.

Trotz des schlimmen Wetters war Gestern zumindest am Abend doch noch ein ereignisreicher Tag. In Trondheim hat dieses Wochenende das Pstero-Festival stattgefunden. Ein kleines zwei-tägiges Rockfestival mitten auf dem Markplatz. An sich eine coole Sache, allerdings fand ich dann den Preis (für norwegische Verhältnisse sicher ok) für die Bandauswahl aus der immerhin zwei kannte, doch ein bisschen hoch. Als Headliner hat gestern die Punkrock-Band NOFX gespielt, und nach einem kleinen Vorspiel bei einem Neueinzieher im Haus hab ich mich mit zwei Anderen dorthin aufgemacht und die zweite Hälfte des Konzert von einem hohen Stein hinter den Absperrungen doch noch gesehen und gehört. Danach sind wir dann ins Studentersamfundet, dieser große Studentenclub, wo ich mich dann auch dazu durchgerungen hab, eine Mitgliedschaft zu erwerben. Hat mich zwar schmerzhafte 45 Euro gekostet, aber dafür hab ich jetzt für den Rest meines Norwegenaufenthalts dort freien Eintritt und zahle fürs Bier nur 4,50 €. Nach 4-5 Besuchen müsste sich die Mitgliedschaft auf jeden Fall gelohnt haben. Besonders toll fand ichs da diesmal dann allerdings leider nicht.
In der Haupthalle, in der letztes Mal durchaus annehmbare Musik lief, war irgendein Meeting und somit keine Musik. In einer Halle war ein Konzert, das 10 € extra kostete und das wir uns gespart haben. Im Basement lief auf einer Tanzfläche nur Hiphop und auf der anderen Mainstream, was hier soviel heißt wie 80er, 90er und komische norwegische Popdudeleien, die sich größtenteils wie eine Mischung aus Dr. Alban und DJ Ötzi anhören. Absolutes Highlight des Abends war für mich die Erinnerung an alte Stufenzeiten durch David Hasselhofs legendäre "Baywatch Theme".
Da das so ja nicht weitergehen kann, hab ich mich heute mal ein bisschen umgehört. Ich hab zwar schon ein paar Tips bekommen, aber mal sehen was draus wird. Trondheims Musikszene muss einfach mehr zu bieten haben!

Heute beim Pizzaessen im Fernsehturm hat sich dann übrigens spontan eine Crew zum Doppelkopfspielen zusammengefunden. Wir haben uns direkt für morgen abend verabredet, obwohl ich überlege, das nochmal zu verschieben. Schließlich hat morgen wieder das ISU-Basement auf. Dort hab ich mich jetzt übrigens auch als Barkeeper gemeldet, aber war damit bei weitem nicht der einzige und bin erst irgendwann im September mal dran. Dann heißt es Freibier in Norwegen... ein seltenes Vergnügen.

Freitag, 24. August 2007

Erste Meldung nach 2 Wochen

Hallo zusammen,

nach zwei Wochen wächst bei mir doch das Bedürfnis mal ein Lebenszeichen in die Welt zu senden. Bisher hab ich mich zwar geweigert, wie viele das machen, so einen Blog zu schreiben... aber mittlerweile bin ich doch überzeugt worden. Ich werde hier bestimmt nicht jeden Tag was reinschreiben, und wahrscheinlich auch nicht jede Woche... aber ab und an, dann und wann.

Ich bitte zu entschuldigen, dass das ganze jetzt wahrscheinlich etwas unstrukturiert wird, aber da ich in den zwei Wochen, in denen ich jetzt hier bin doch schon einiges erlebt habe, weiß ich schon nicht wo ich anfangen soll.

Also, für die, mit denen ich in letzter Zeit nicht so viel kommuniziert habe: Ich bin gut angekommen!

Ich hab trotz meinem langen Wartelistenaufenthalt glücklicherweise doch noch reibungslos ein Zimmer im Wohnheim bekommen und konnte mich mittlerweile ganz gut einleben. In meiner 4er-WG wohnen außer mir noch ein Russe, ein Äthiopier und ein Spanier, mit denen ich mich der Aufzählung nach gut verstehe. Besonders mit Emil (der Russe) hab ich viel Spaß, der Äthiopier ist auch super nett, hat aber schon Familie und Kinder, ist also nicht zum Spaß hier (eher im Gegenteil). Der Spanier (eigentlich Baske) ist auch ok, aber er ist selten da, und wenn dann redet er davon, dass er weg will, weil er mit seinem Freund zusammenziehen will.
Die Wohnung ist super schön, vom Bad und meinem Ausblick auf die Mülltonnen (die wiederum sehr stylisch sind) mal abgesehen. In dem Wohnheim hier (eigentlich mehr ein Wohnpark) wohnen 1800 Studenten, von denen 2/3 bis 3/4 International Students sein dürften. Ganz anders als in Deutschland ist, dass hier auch total viele Familien wohnen. Zwischen den einzelnen Häusern sind ganz viele Spielplätze und es gibt sogar einen eigenen Kindergarten.
Das wichtigste direkt vorweg: Jedes Haus hat ein Basement, also einen Party-Keller, der jeweils einer bestimmt studentlschen Gruppierung gehört. Es gibt ein Basement für Maschis, eins für Chemiker, eins für den Dragvoll Campus, eins für den Wanderverein und wahrscheinlich auch eins für die Putzfrauen. Am meisten geht aber eindeutig im Basement der ISU (International Student Union). Jeden Montag und Freitag ist da volles Haus (leider nur bis Mitternacht).... Die Basements sind vor allem darum so beliebt, weil da im Gegensatz zu denen in der Stadt die Bierpreise wirklich erträglich sind. Zahlt man in der Stadt zwischen 6 und 10 € für ein normal großes Bier, sind die 2 € im Basement quasi in Schnäppchen.

Nun ja, damit hat das ganze hier zwar nicht angefangen, aber wo ich schon einmal dabei bin. Die Stadt hier ist zwar nicht groß (160.000 Einwohner) aber weil im Umkreis von 500 km nichts vergleichbares ist, ist das städtische Angebot gar nicht so schlecht. Ein von einer Studentengruppe geführter Laden (das Studentersamfundet) ist mit Abstand am größten. Das Teil ist ein Labyrinth aus Bars, Fluren und 4 Dancefloors. Bier kostet hier 6 € (für 0,5) und ist damit sehr günstig. Anderes würde ich allerdings nicht probieren.
Sowieso haben wir uns die norwegische Taktik hier schnell angeeignet... Wenn man am Abend durch die Stadt geht, begegnet man einer Masse junger Leute mit Plastiktüten in der Hand. Das sind norwegische Studenten auf dem Weg zum Vorspiel. Der Party vor der Party. Wenn es dann mal so richtig läuft, kann das ganze auch noch ein Nachspiel haben.

In meinem Ersti-Tutorium habe ich auch schon ausgiebig Gelegenheit gehabt, die Norwegische Feiermentalität zu analysieren. Und ich muss sagen: gewöhnungsbedürftig!
Also erstmal stimmen alle Vorurteile: Norweger sind wirklich unglaublich schüchtern. In dem Tutorium, in dem ich zunächst der einzige Nicht-Norweger war, war ich der einzige, der mal versucht hat, so etwas wie eine Konversation aufzubauen. Die anderen haben ihre Nebenleute, mit denen sie immerhin in Zukunft studieren sollten, keines Blickes gewürdigt.
Das ganze änderte sich dann aber doch schlagartig, als man sich abends zum Vorspiel traf und die ersten 2-3 Tuborg vertilgt waren. Auf einmal schienen sie alle ihre Schüchternheit an der Garderobe abgegeben zu haben und wurden gesprächig. Das Problem ist, dass Norweger, wenn sie einmal trinken, ungerne damit aufhören. So konnte ich in meiner Analyse des feiernden Norwegers bisher eigentlich nur zwei Zustände ausfindig machen: 1. Den introvertierten vor dem ersten Bier und 2. Den "Wir saufen bis zum Morgengrauen".

Naja, zurück zur Seriosität, zum Studium!
Obwohl bei mir das meiste erst nächste Woche losgeht, war ich diese Woche doch schon fast jeden Tag in der Uni. Mal alle Lokalitäten auskundschaften, die zuständige Studienberaterin aufsuchen, mich über Kurse informieren u.s.w. Und ich muss sagen: Hatte mich das Chaos um die Anmeldung und die Wohnungssuche noch negativ überrascht, bekomme ich jetzt langsam einen Eindruck davon, was gute Studienbedingungen sind. Erstmal ist der Campus, an dem ich meine Fächer hab, ein toller Bau aus den 90er. Er erinnert von der Architektur eigentlich eher an eine Shopping-Mall als an eine Universität. Ein Audimax oder Karman 1 gibt es hier nicht. Stattdessen finden alle Vorlesungen und Kurse in kleineren Hörsälen oder Räumen statt, in den stets beidseitige Kommunikation möglich ist. In meiner ersten Vorlesung, die ich dann doch schon gestern hatte ("Knowledgement Management in a global economy"), waren wir maximal 25. Dazu kommt eine ganze andere Arbeitsatmosphäre als das bei uns der Fall ist. Ob Professoren oder Erstsemester... man redet sich hier grundsätzlich Vornamen an. So entsteht wirklich das Gefühl, dass man irgendwie zusammen und nicht gegeneinander arbeitet. Das hat mir auf Anhieb direkt richtig gut gefallen.

Was mir hingegen nicht so gut gefallen hat, ist die ellenlange Liste mit Pflichtlektüre, die wir direkt bekommen haben. Alles in allem dürfte grob überschlagen von rund 1000 Seiten englischer Fachliteratur für nur eine Vorlesung die Rede sein. Einige Artikel haben wir dann direkt in Reader-Form ausgehändigt bekommen. Einige konnte man sich aus dem Internet ausdrucken (Drucken ist in der Uni unbeschränkt kostenlos). Übrig blieben drei Bücher die man sich kaufen soll (ca. 40€/Buch). Eines der drei hab ich dann direkt im Online-Archiv der Bib gefunden und konnte da auch die relevanten Kapitel größtenteils ausdrucken.... jetzt schau ich erstmal, ob ich die anderen beiden wirklich brauche... man kanns ja auch übertreiben. Bis Ende Oktober muss ich übrigens eine Hausarbeit mit mind. 5000 Wörtern geschrieben haben, bevor es dann zum Abschluss noch eine mündliche Prüfung gibt.

Als zweites werde ich jetzt wahrscheinlich den monster-intensiven GIS (für die nicht Geographen: Geographic Information Systems) besuchen, für den es zwar etwas weniger zu lesen gibt (vielleicht nur 500 Seiten), für den man dafür aber wesentlich mehr selbst machen muss. Es gibt eine Vorlesung und zwei Übungen pro Woche. Man muss jede Woche eine Projektaufgabe abgeben und einen Online-Multiple-Choice-Test absolvieren, der dann auch zusammen mit der 5-stündigen Klausur am Schluss in die Bewertung mit eingeht.

Dazu muss man aber sagen, gegen das Online-System, das hier zu jeder Veranstaltung zur Verfügung steht, echt genial ist. Man wird entsprechend der Kurse in Online-Lerngruppen eingeteilt, in denen man sieht, wer online ist und wer gerade welche Aufgaben macht. So kann man sich per integriertem Instant Massenger austauschen, alle erforderlichen Daten austauschen... und und und. Was man dabei allerdings wissen sollte ist, dass der Professor jedes Kurses Zugriff auf alle Protokolle deiner Aktivität für den relevanten Kurs hat. Er kann also genau sehen, wann man online in dem System war, was man gemacht hat und welche Online-Texte man gelesen hat.

So, genug zum Ernst des Hochschulalltags, natürlich hab ich in den letzten zwei Wochen auch schon lustigere Sachen erlebt. Letzte Woche war die Orientation Week und es gab jede Menge Programm für die International Students. Wie ihr den Fotos entnehmen könnte eine Wanderung, eine Bootsfahrt und zwei Museumsbesuche. Dazu ein angemessenes Abendprogramm und das legendäre Complimentary Lunch, das ich diese Woche durchaus schon vermisst habe. In den zwei Clubs die wir in der Innenstadt bisher kennen gelernt haben, ist mir das gleich aufgefallen, was ich auf der Hinfahrt schon im Radio erkannt habe. In Norwegen leben die 80s and 90s!!!
Was in den ersten Tagen natürlich genial war, war, dass man sekündlich neue Leute kennen gelernt hat. Zum Namen- und Herkunftslandmerken blieb da kaum Zeit und so begegne ich mittlerweile andauernd Leuten die ich schon irgendwoher kenne, aber keine Ahnung mehr hab woher (mein altes Problem). Leider hat sich herausgestellt, das Deutschland hier mit Abstand die größte Ausländergruppe stellt. So muss ich mir echt Mühe geben, nicht die ganze Zeit nur mit Deutschen rumzuhängen, was natürlich am einfachsten ist. Aber das wäre natürlich nicht der Sinn der Sache... Ich bin mittlerweile schon echt froh, dass in meiner WG nicht auch noch Deutsche wohnen....

Sprung: In den letzten 4 Tagen hatten wir absolut geiles Wetter (heute regnets leider wieder) und ich konnte mal auf zwei Rädern die Gegen ein wenig erkunden. Nur 4 Kilometer entfernt von hier sind zwei wunderhübsche kleine Seen (siehe Fotos). Gestern bin ich dann von denen aus noch weiter gefahren, weil ich zu einem großen See wollte, den ich auf der Karte gesehen hatte, und hab mich ziemlich verfranzt. Ich wusste zwar, in welche Richtung ich wollte, aber es gab einfach andauernd Abzweigungen ohne Schilder. Schließlich hab ich mich dann eindeutig für den falschen Weg entschieden. Es wurde immer felsiger und matschiger und irgendwann war einfach kein vorwärts kommen mehr. Da bin ich dann schweren Herzens umgekehrt, hab über einen Umweg dann aber doch noch zu dem großen See gefunden. Scheint ein großer Stausee zu sein, aber ich hatte dann keine Zeit mehr für eine ausgiebige Erkundung und musste zurück. Über die Straße hab ich dann auch nur 15 Minuten zurück gebraucht.
Für die Zukunft (sofern das Wetter noch eine Weile schön bleibt) waren die zwei Touren auf jeden Fall schon einmal sehr viel versprechend. Teilweise waren übrigens die kleinsten Waldpfäde mit Flutlicht ausgestattet, was mich vermuten lässt, dass sie im Winter Langlaufloipen sein werden. Ich bin mal gespannt....

So, da ich jetzt quasi schon meine erste Hausarbeit halb fertig habe... und gleich das ISU-Basement aufmacht... verabschiede ich mich mal.

Fotos gibts jetzt hier ja auch... Da die Handhabung einfacher und schneller als im StudiVZ ist, werde ich sie demnächst wohl auch erstmal hier hochladen. Achja, wenn es wieder welche gibt, meine geliebte Digi-Cam hat nämlich den Geist aufgegeben :-(
Naja, ohne gehts jedenfalls nicht, d.h. ich werde mir wohl ne neue zulegen....

So bis denne mal....
Euer Milo

Fotos gibts jetzt hier!!!!