Mein Offizieller Erfahrungbericht:
Für wen ist Trondheim das Richtige?
Trondheim ist sicher nicht für jeden das richtige Erasmus-Ziel. Wem es darum geht, möglichst viel Party zu machen, der ist sicher in Spanien oder sonst wo besser aufgehoben.
Nicht das man in Trondheim nicht Feiern könnte, gleichgesinnte Partywillige sind eigentlich immer zu finden, aber das Angebot an bezahlbaren Clubs und Bars ist doch recht beschränkt. Selbst auf privaten Partys wird Bier schnell zum Kostenfaktor.
Die richtige Wahl ist Trondheim für alle, die sich für unberührte Natur, Wandern, Skifahren oder Ähnliches begeistern können. Norwegen ist für mich eines der schönsten Länder der Welt und die Möglichkeiten für Outdoor-Aktivitäten sind nahezu unbegrenzt.
Richtig ist es auch für alle, die ihre Englischkenntnisse verbessern wollen. Es gibt ein reichhaltiges Angebot an Kursen in englischer Sprache und auch im Alltag genügend Gelegenheit Englisch zu sprechen.
Geld
Ja, Norwegen ist teuer.
Dennoch sollte man sich von Horrormeldungen, dass der Döner 8 € kostet nicht direkt abschrecken lassen. Ja, die Studentenbude kostet mind. 300 €, das große Bier in der Bar 6-8 € und ne Tiefkühlpizza bis zu 5 €. Aber bei fast allen Dingen des täglichen Bedarfs gibt es auch recht günstige Alternativen. Mit der Zeit bekommt man es raus, wo man was am günstigsten bekommt. Stellt man an Verpflegung und Abendgestaltung nicht allzu große Ansprüche, lässt es sich mit etwa 20-30 % mehr Geld als in Deutschland gut überleben.
Zeitraum:
Ich empfehle jedem Trondheimbesucher, wenn irgendwie möglich, zwei Semester dort hin zu gehen. Nur so erlebt man Norwegen komplett, denn jede Jahreszeit ist wirklich einzigartig. Außerdem hat man so viel mehr Zeit sich einzuleben, evtl. die Sprach zu lernen und Norwegen von Nord- bis Süd zu bereisen.
Wer nur ein Semester Zeit hat, muss sich gut überlegen, wann für ihn besser ist.
Vorteile Wintersemester:
1. Es ist terminlich einfacher, da sich die Semester hier und dort nicht überschneiden.
2. Es gibt eine Orientierungswoche und evtl. Sprachkurse, bei denen man sofort viele Leute
kennenlernt die genau so neu sind; das erleichtert den Start ungemein
3. Zumindest in meinem Fach Geographie war das Kursangebot vor allem für
englischsprachige Kurse wesentlich besser als im Sommersemester
Nachteile Wintersemester:
1. Das Wetter: Im Herbst sehr viel Regen, November und Dezember sehr wechselhaft, meist
Schmuddelwetter, keine stabilen Schneeverhältnisse
2. Das Licht: Es wird immer dunkler, im Dezember ist es um 15 Uhr dunkel
Vorteile Sommersemester:
1. Das Wetter: Im Februar und März gute Schneeverhältnisse, im Frühjahr allgemein
freundlicher
2. Das Licht: Es wird immer heller, ab Mai wird es gar nicht mehr richtig dunkel, Fußball um
Mitternacht problemlos möglich
Nachteil Sommersemester:
1. Das Sommersemester beginnt bereits im Januar
2. Der Start kann schwerer fallen, da es keine Orientierungswoche gibt
Anm. d. Autors.: Selbstverständlich beziehen sich die Wetterangaben auf mein Jahr (07-08)
Anreise:
Es gibt vielfältige Möglichkeiten nach Trondheim zu gelangen.
Hat man ein Auto, empfiehlt es sich sehr, dieses mit nach Norwegen zu nehmen, da es Ausflüge und Reisen durch Norwegen stark vereinfacht. Man sollte sich allerdings bewusst machen, dass Werkstattkosten in Norwegen exorbitant hoch sind und man winterfest mit guten Reifen und Schneeketten ausgerüstet sein sollte. Als Route kann ich empfehlen, bis zur Nordspitze Dänemarks
(Hirtshals) zu fahren und dort die Fähre der Gesellschaft Kystlink (www.kystlink.de) nach Langesund zu nehmen. Es gibt zahlreiche andere Varianten, aber das ist meinem Wissen nach die günstigste.
Per Flieger kann ich momentan folgendes empfehlen, wobei sich Flugpläne und –kosten natürlich schnell ändern können: Mit Norwegian (www.norwegian.no) von Düsseldorf nach Oslo, von dort mit dem Zug nach Trondheim. Norwegian ist sehr günstig (vor allem wenn man früh bucht) und man kann zwei große Gepäckstücke für je 6 € aufgeben. Auch Fahrradmitnahme ist kein Problem. Als ich aus Norwegen zurückgekommen bin, hatte ich einen großen Trekkingrucksack, einen großen Trolley, einen kleineren Rucksack, eine Laptoptasche und ein Fahrrad. Das ging alles und zwar günstiger als ein paar Kilo Übergepäck bei anderen Fluggesellschaften.
Von Oslo fahren abends sowohl ein Nachtzug (www.nsb.no) als auch ein Bus (www.lavprisekspressen.no). Weiterfliegen geht auch, ist aber zeitlich etwas eng und bei Billigtickets daher riskant. Die Züge finde ich übrigens allgemein sehr gut. Es gibt so genannte Minipris-Tickets die wie bei Billigfliegern kontingentiert sind, bei früher Buchung aber echt günstige Reisen quer durch Norwegen ermöglichen.
Ankunft:
Meldet euch bei der Ankunft bei SiT, die euch mit einem Zimmer versorgen und beim International Office, die euch bei allen weitere Angelegenheiten zur Seite stehen. Ansonsten würde ich mir im Vorfeld nicht allzu viele Gedanken machen. Es gibt zwar einiges an Formalia zu erledigen, aber das bekommt man während der Orientation Week oder sonst im International Office noch rechzeitig mitgeteilt.
Wohnen:
Die meisten International Students lassen sich von SiT, dem dortigen Studentenwerk, in einem der Wohnheime, meist Moholt, unterbringen. Das ist auch durchaus zu empfehlen, da dort am meisten los ist (vor allem in Moholt). Man sollte sich allerdings klar machen, dass es keine Norwegen-typische Unterbringungsart ist. Die Norweger sind in Moholt klar in der Unterzahl, und die die dort sind, sind meist etwas "speziell", da der Durchschnittsnorweger nie auf die Idee kommen würde, dort einzuziehen (abgesehen von den Erstsemestern, die nichts anderes gefunden haben).
Mobilität vor Ort:
Nehmt euch ein Fahrrad mit oder besorgt euch dort eins. Das öffentliche Nahverkehrssystem ist zwar ganz gut, aber zur täglichen Nutzung viel zu teuer. Wenn man halbwegs geübt ist, kann man auch im Winter an 90 % der Tage Fahrrad fahren.
Uni:
Es gibt mehrer Hochschulstandorte. Die größten sind der Campus Gloshaugen, wo die meisten technischen Fächer beheimatet sind, und Dragvoll, wo die Geisteswissenschaftler zu Hause sind. Beide Campus sind gut und modern ausgestattet, der in Dragvoll wurde erst in den 90er gebaut und ähnelt von der Anlage her fast schon einer Shopping-Mall.
Die Lehre findet meist in wesentlich persönlicherem Rahmen statt, als wir das von hier gewohnt sind. D.h. die Vorlesungen sind kleiner, die Betreuung besser und die Atmosphäre entspannter. So spricht man sich z.B. selbst unter Professoren standardmäßig nur mit dem Vornamen an.
NTNUI
Unbedingt zu empfehlen ist es, dem Sportclub der Uni "NTNUI" beizutreten. Das kostet etwa 50 € für ein Semester und 80 € für zwei. Man bekommt dafür Zugang zu den zwei sehr gut ausgestatteten Sportcentern in Dragvoll und Gloshaugen. Dort gibt es Fitnessräume, Squash-Courts, eine Kletterhalle und und und. Außerdem kann man an unzähligen Mannschaftsportarten teilnehmen. Ich persönlich hab dort Innebandy gespielt, was bei uns als Unihockey bekannt ist.
Vorteil einer solchen typischen norwegischen Sportart ist, dass man auch mal wirklich mit Norwegern in Kontakt kommt, was sonst gar nicht mal so einfach ist.
Neben dem Nutzen der Sportcenter bringt die Mitgliedschaft bei NTNUI noch ein paar weitere Vorteile: So kann man im Winter dienstags kostenlos den Skibus in die Bymarka benutzen, bei Nationalcar wirklich günstig Autos mieten (z.B. Opel Corsa von Donnerstag bis Montag 190 €; sofern man das Formular, das von www.ntnui.no aus verlinkt ist, benutzt) und die wunderschönen Hütten mieten, von denen NTNUI 22 Stück in der weiteren Umgebung von Trondheim unterhält.
Skifahren
Im November beginnt in Trondheims Umgebung (in Trondheim selbst meist später) die Skisaison, die locker bis Ende April dauern wird. Alpinskifahrer finden in 20 Minuten Busentfernung (Shuttle jeden Tag) ein kleines, nicht gerade schneesicheres Skigebiet namens Vassfjellet. Per Bus und Bahn sind Oppdal sowie Are in Schweden als große Gebiete relativ schnell zu erreichen.
In jedem Fall sollte man, was die Alpinskimöglichkeiten angeht, aber nicht zuu viel erwarten. Mit den großen Skigebieten der Alpen ist das alles abgesehen von Are nicht zu vergleichen.
Stattdessen sollte man trotz aller in Deutschland verbreiteter Vorurteile (Oma-Sport etc.) das Langlaufen ausprobieren. Denn in Norwegen ist Langlaufen Breitensport und absolut nicht mit dem zu vergleichen was in bayrischen Kurorten so vor sich geht. Die Loipen in Norwegen führen selten geradeaus, es geht auf und ab, permanent. Das ist echt anspruchsvoll und macht nen Heidenspaß. Im Winter sind kilometerlange Loipen direkt in der Nähe des Dragvoll-Campus präpariert und ermöglichen Skispaß bis 11 Uhr in der Nacht. Das ist die beste Möglichkeit der Dunkelheit zu entfliehen, und wenn man Glück hat, trifft man dabei auch noch eine gemütliche Elchfamilie.
Skier kann man günstig bei ISU leihen. Wenn man vorhat, regelmäßig Langlaufen zu gehen, kann es sich aber auch wirklich lohnen, eigene zu kaufen. Komplettsets gibt’s schon ab ca. 150 €. Wenn man nicht zu ambitioniert ist, sollte man zu waxfreien Skiern greifen, die zwar nicht ganz so schnell sind, aber das Handling der Skier ungemein vereinfachen.
Cabin-Trips
Der ganze Stolz von NTNUI und eines der absoluten Highlights jedes Erasmus-Aufenthalts in Trondheim sind die 22 Hütten (Koien), die in einem Radius von etwa 150 Kilometern rund um Trondheim verteil irgendwo in der Pampa liegen. Mal an einem See, irgendwo im Wald oder sogar auf 1100 Metern im Hochgebirge, sind Touren zu diesen Hütten die ultimative Naturerfahrung für großstadtgewöhnte Erasmiaten. Auf den Hütten gibt es kein fließendes Wasser oder Strom, es ist lediglich ein Holzofen und ein Spirituskocher vorhanden. Beim ersten Cabin-Trip sollte man sich idealerweise Leuten anschließen, die schon einmal solch einen Trip gemacht haben, denn den Ofen zu befeuern und den Kocher zum Laufen zu bekommen, ist nicht immer ganz einfach. Außerdem sollte man sich wirklich vernünftig mit Kartenmaterial, Kompass, und evtl. GPS (kann geliehen werden) eindecken. Speziell im Winter, wenn es früh dunkel wird, ist es kein Spaß, nach 5-stündiger Wanderung die Hütte nicht zu finden. Im Winter sollte man außerdem je nach Hütte unbedingt mit Skiern oder Schneeschuhen ausgerüstet sein, denn wer schon mal durch nen halben Metern Neuschnee gestapft ist, weiß, wie schnell man dabei voran kommt. Auskunft über alle Hütten gibt http://org.ntnu.no/koiene, über die Schneeverhältnisse www.senorge.no.
Allgemein erscheint es als Anfänger schon mal schwierig, solch eine Hüttentour selbstständig zu organisieren, vor allem was die Anreise angeht. Doch wenn man ein bisschen Mühe reinsteckt, findet man fast immer eine Möglichkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln anzureisen, und wenn man mal mit 5 Leuten übers Wochenende ein Auto mietet, ist es auch ok. Wir haben uns manches mal gedacht, dass wir nach so einem Cabin-Trip insgesamt weniger Geld ausgegeben haben, als wenn wir in Trondheim geblieben und einen Abend rausgegangen wären.
Reisen
Norwegen ist so ein unglaublich schönes Land, das einen von der Südspitze durch die Berge, an den Fjorden vorbei, bis auf die Lofoten und in den arktischen Norden immer wieder zu überraschen und beeindrucken vermag. Leider sind die Entfernungen groß und das öffentliche Verkehrssystem eher weitmaschig. Daher ist das Auto als Verkehrsmittel für Erkundung des Landes doch irgendwie
unabdingbar. Wenn man kein eigenes hat, bietet sich erneut der Autoverleih von Nationalcar an (nein, ich bekomme keine Provision), denn abgesehen von einer Beule, die wir teuer bezahlen mussten, hab ich nur positive Erfahrung mit denen gemacht. Und ich war Stammkunde! Wichtig: Immer über www.ntnui.no übers Wochenende buchen und als Uhrzeit jeweils 9.00 Uhr angeben. Evtl. etwas mit dem Formular herumexpirimentieren.
Als Reiseziele spontan besonders zu empfehlen sind der Geiranger-Fjord (weil er schön und relativ nah ist), die Gegend um Stavanger/Lysefjord mit dem weltberühmten Preikestolen, der Sognefjord, die Lofoten und die Gegend um Tromsö.
ISU
Eine hervorragende Möglichkeit, Leute kennenzulernen und sich dabei noch etwas sozial zu engagieren ist eine Mitarbeit bei ISU. Die International Student Union unterhält eine Bar, die zweimal wöchentlich zum Bierkonsum und ebenfalls zweimal wöchentlich als Kino geöffnet ist. Außerdem organisiert ISU Parties, Ausflüge und allerhand andere Aktivitäten. Speziell, wenn ihr am Anfang Probleme habt, engere Kontakte mit Nicht-Deutschen zu knüpfen, kann ich eine Mitarbeit bei ISU sehr empfehlen.
Sprache
Im Nachhinein bereue ich es etwas, kaum Norwegisch gelernt zu haben. Denn schwierig ist es als Deutsch-Muttersprachler nicht. Die Grammatik ist dem Deutschen sehr ähnlich und auch 15-20 % der Wörter sind leicht herzuleiten. Um nerviges Vokabellernen kommt man aber trotzdem nicht drum herum. Zu Beginn des Semesters gibt es Sprachkurse, für die aber maximal 50% aller Bewerber einen Platz bekamen. Die später im Semester stattfindenden Survival-Kurse, können helfen, wenn man nebenher wirklich selbstständig lernt, als Kurse an sich sind sie aber nicht sehr effektiv.
Sinnvoll ist Norwegisch weniger, um in der Uni und im Alltag klar zu kommen, denn bis zum Busfahrer sprechen fast alle Norweger fließend Englisch. Will man aber engere Kontakte zu Norwegern knüpfen oder beim Reisen das Image des deutschen Touristen abschütteln, sollte man aber doch zumindest eine einfache Unterhaltung führen können. Norweger sind tendenziell sehr freundliche und hilfsbereite, aber auch recht verschlossene Menschen. Ein paar Brocken Norwegisch, um den guten Willen zu zeigen, können da schnell das Eis brechen.
Das Wort zum Sonntag
Für mich war das Jahr in Norwegen eine unglaublich schöne Erfahrung, von der ich noch meine Enkeln und Urenkeln freudestrahlend berichten werde. Man sollte flexibel sein, sich von der teils etwas eigenartigen Mentalität der Norweger nicht abschrecken lassen, sich schnell die norwegische Wetterfestigkeit aneignen, viel Fisch essen, und die Mühen der Ausflugs- und Reiseplanungen nicht scheuen. Dann kann man auch mit begrenztem Budget jede Menge erleben und eine wunderschöne Zeit verbringen.
Wer mehr wissen möchte und das ganze vielleicht noch durch ein paar Fotos illustriert sehen möchte, darf gerne meinen Blog besuchen, den ich während meiner Zeit in Trondheim geschrieben habe, oder mir eine E-Mail senden (mlogen@web.de).
http://miloabroad.blogspot.com
http://picasaweb.google.de/milo.abroad
Samstag, 20. Dezember 2008
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